Wenn Minimalismus die Nerven schont

Wenn Minimalismus die Nerven schont

Der Minimalismus: Sinnbild modernen Designs, für manche skandinavischer Geniestreich in Sachen Fashion, Accessoires und Baukunst, für andere oft auch mit Kälte, Einsamkeit und Härte assoziert. Für mich ist es seit diesem 03. Juli 2016 etwas Erstrebenswertes – zumindest wenn es ums Reisen mit der Deutschen Bahn geht.

Angefangen hat alles mit einem nicht allzu spontan geplanten Besuch bei meinen Eltern. Die ganze Familie sollte endlich wieder an einem Ort und in derselben Zeitzone zusammentreffen, um den 1. Hochzeitstag meiner Schwester zu feiern. Wunderbar, Vorfreude pur, Glück floß durch meine Adern, nichts kann uns aufhalten. Natürlich, wie immer, wenn man sich im Glücksbärchi-Modus befindet, sollte man (ich?) am Endes eines Besseren belehrt werden. Ohne diese unerwarteten Schockmomente wäre das Leben aber natürlich sehr fad. „Ohne die Dunkelheit würden wir die Sterne nie sehen“ Blablablablub. Diese ganzen Weisheiten gehen mir in manchen Situationen, wie in der folgenden, reichlich auf den Geist.

Natürlich, wie immer, wenn man sich im Glücksbärchi-Modus befindet, sollte man (ich?) am Endes eines Besseren belehrt werden.

Bei Reisen fängt für Fashionistas alles mit der lästigen Frage an: Wie packe ich möglichst nur einen Koffer, in dem mein ganzer Kleiderschrank Platz findet und der ganz leicht ist? Für mich doch kein Problem mehr. Ich beschränkte mich sehr souverän auf den kleinsten Koffer, den ich besitze, sowie eine Handtasche. Sogar mein monströser Laptop konnte mit. (Ich erwarte jetzt übrigens weit aufgerissene Münder und starre Augen vor den Bildschirmen. Klar, oder?) Super, die einzige Hürde für dieses Wochenende war genommen. Es sollte an dieser Stelle angemerkt werden, dass ich so unschuldig und vernünftig dann doch nicht gewesen war, denn ich wusste, dass ich mit Mama und Schwester shoppen gehen würde. Das tröstete mich ganz schön bei der Aktion, lediglich eine Hose und drei Oberteile einzupacken.

In einem „echten“ Fashion-Blog würde jetzt mehr über die einzelnen Kleidungsstücke stehen, die ich geschickt und mit dem Kennerblick einer Fashionista eingepackt hatte. Doch das Lesenswerte an diesem Beitrag liegt ausnahmsweise mal nicht in der Beschreibung von Modetrends. Ich fuhr also mit meinem süßen, kleinen, eigentlich geschmacklosen Köfferchen mit Eiffelturm-Motiven los. Alles lief wie geplant. Noch! Es folgten eine reibungslose Ankunft (ja, sogar pünktlich), ein herzlicher Empfang durch Mama, Papa und mein Schwesterherz, dann der atemlos machende Austausch der letzten Neuigkeiten untereinander und schließlich etwas später die Ankunft meines tollen Schwagers. Nicht minder perfekt war der Start in den Samstag: 10 Stunden Schlaf, ein reich gedeckter Frühstückstisch und sogar das völlige Ausbleiben ohnehin unnötiger Familienreibereien. Die Kurzreise mauserte sich also langsam, aber stetig zu einem Traumurlaub.

Doch dieser fantastische Flow, der uns über den Samstag trug, sollte 10 Minuten vor der Abreise am Sonntag ein Ende haben.

Kaum waren wir alle zusammen zum Bahnhof gefahren, erfuhren wir die wenig überraschende Ankündigung der Bahn: 15 Minuten Verspätung. Typisch, immer Pech und Pannen, Schicksal, Weltuntergang, verdammte Schwarzrotgold Tütüüüü. Diese harmlos klingenden 15 Minuten bedeuteten für meine Schwester und ihren Mann, dass sie den Anschlusszug nach Kopenhagen verpassen würden, was wiederum dazu geführt hätte, dass sie in Hamburg hätten 2 Stunden warten müssen. Also nahmen sie einen Zug früher. Schön, ideal gelöst, aber der Abschied fiel sehr kurz und abrupt aus. Wir hatten uns noch nicht aufs Aufwiedersehensagen eingestellt, da waren wir schon getrennt worden. So verfiel auch die Reservierung, die ich für uns drei gebucht hatte. Ok, alles nicht so schlimm. Hauptsache sie kommen gut nach Hause.

15 Minuten später fuhr mein erwarteter Zug ein. Eine Frau mit zwei kleinen Kindern, eine Nonne, ein junger Kerl mit Ohrschützern genannt Kopfhörer und ich betraten den Wagen 9. Dieser glich einem Tatort: menschenleer und in rot-weißem Absperrband gehüllt. Schaffner? Fehlanzeige. Verwirrtheit? Weit und breit. Erst als ich die Aufschrift auf den Absperrband las, verstand ich, dass hier der Sommer wieder Einkehr gemacht hatte: 32 Grad aufgrund der ausgefallenen Klimaanlage. Und genau an dieser Stelle komme ich zu dem, was die Überschrift zum Ausdruck bringen soll:

Weniger Klamotten und weniger Taschen können ein Segen sein.

Völlig genervt von der Tatsache, dass die Plätze nicht nur verfallen waren, weil meine Reisebegleitung einen anderen Zug nehmen musste, sondern auch weil der Wagen einen Ausflug in die Tropen gemacht hatte, wusste ich zunächst nicht, was tun. Außer der Frau mit ihren Kindern, der Nonne und dem Typen kamen auf einmal immer mehr Menschen, die im Wagen 9 nicht bleiben konnten oder wollten. Jetzt war genau das eingetroffen, was ich eben mit einer Reservierung vermeiden möchte: Vollgepackt durch die Bahn rennen auf der Suche nach einem freien Platz. Ich beschloss, „den Sommer zu genießen“ und im Wagen 9 zu bleiben. Ich dankte Gott, dass ich den Zwiebel-Look gewählt hatte. Ich zog „Lage für Lage“ aus, bis ich mich zu einem Tanktop durchgekämpft hatte. Lederjacke: check! Lederweste: check! Grau-meliertes Shirt: check!  Ja, das ist der Minimalismus, der mir gefällt. So wenige Klamotten anhaben, dass ich nicht ins Schwitzen komme! Aber hier hört die Geschichte noch lange nicht auf. Schließlich hatte ich ja am Wochenende das „wohlverdiente“ Shopping hinter mich gebracht. Es war der Traum einer jeden Mode-Süchtigen: Schuhe, ein Oberteil und eine Hose. JACKPOT! Außerdem hatte ich allerlei Zeug von zu Hause mitbekommen, inkl. eines Auflaufs, einer Salami, einer alten Spiegelreflex-Kamera von meiner Oma sowie einer TV-Antenne. Ganz normal und gar nicht ungewöhnlich für eine serbische Familie. Daher kam es schließlich, dass ich doch voll beladen war. Aus zwei Taschen wurden dadurch nämlich vier. 

Ich redete mir ein, dass diese Hitze doch für 1,5 Stunden Fahrt auszuhalten sei. „Hey, schließlich habe ich eine Skinny-Jeans in Destroyed-Look und ein Tank-Top. Nicht der Wagen, sondern ich war heiß!'“ Ja, sich selbst was vormachen ist sehr dumm! (Diese Weisheit gefällt mir mal.) Kurze Zeit später traf schon ein wutentbrannter Schaffner ein, der uns sofort aufforderte, den Wagen zu räumen. Jedoch war da kein Anflug nachgelagerter Hilfsbereitschaft zu spüren. Ich wusste nur, dass ich jetzt doch mit 1.000 Sachen und vollgeschwitzt diesen so nervigen Weg durch den Zug nehmen musste. Wohin? Keine Ahnung! P1000995

Jedes Mal, wenn ich mit Gepäck und ohne reservierten Sitzplatz reiste, hatte ich das Gefühl, die Leute mit Reservierung verurteilten mich wie eine Dorfhure: „Oh, siehe da. Das arme Ding. Pssst. Nicht hinschauen!“ Dies geschieht natürlich nur in meinem Kopf, aber es treibt mich so zum Wahnsinn, dass ich ohne Rücksicht auf Verluste durch die Gänge jage. Die Taschen erschlugen auf dem Weg sicherlich ein oder zwei Personen, aber was soll’s, es war ja nicht meine Schuld, dass der Wagen 9 brannte. Doch dann, am Ende meiner Kräfte angekommen, zeichnete sich die Erlösung am Horizont ab: der Speisewagen. „Natürlich, warum kam ich nicht gleich darauf, hier kann ich bleiben, es gibt was zu trinken, ich brauche keine Reservierung. Es ist das Paradies.“ Nein, es konnte noch paradiesischer werden.

Ich erfuhr durch sehr nette Zugfahrende im Bistro, dass ich bei einer „geplatzten Reservierung“ Anrecht hatte auf einen Sitzplatz in der ersten Klasse. Engel flogen um mich herum, Vögel zwitscherten, die Sonne kam heraus und ein Regenbogen tat sich auf, um mir den Weg in die erste Klasse zu zeigen. Da saß ich dann, in einem komfortablen Sitz, mit einem Tisch und zwei Ablagen für meine vier Taschen und drei Oberteile. Und ich konnte nicht anders, als mir selbst einen so unglaublich weisen Spruch für beschwerliche Situationen mit Happy-End zu überlegen: „Wer mehr will, muss mehr zahlen!“ Eventuell reise ich demnächst in der 2. Klasse zu meinen Eltern und in der 1. Klasse wieder zurück nach Hamburg…

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Kork geht nie unter

Kork geht nie unter

An diesem Wochenende fand in Hamburg der Elbrausch-Designmarkt statt. Eine Messe für Handgemachtes, Illustrationen, Fotografien, Wohnaccessoires und was sich sonst mit viel Kreativität und Talent herstellen lässt! In der Regel verfalle ich bei solchen Veranstaltungen nicht in Kaufrausch, da ich zwar begeistert bin, aber der Preis eine letzte, zu große Hürde darstellt. Natürlich weiß ich, dass die meist in Handarbeit hergestellte Ware ihren Preis hat und braucht, doch bei mir muss zuvor ein Begeisterungsblitzschlag einschlagen.

Elbrausch-Designmarkt
Elbrausch-Designmarkt Hamburg 28.05.-29.05.2016

Wie dem auch sei, gestern blitzte und donnerte es tatsächlich: Beflügelt von einem warmen Samstagnachmittag, der netten Gesellschaft von zwei lieben Freundinnen und einer unglaublich entspannten Atmosphäre am Holstenglacis 6 funkte es von Stand zu Stand immer wieder – übrigens auch beim Anblick einer kupferfarbenen Ikea-Lampe, die fast jeder zur Dekoration mitgebracht hatte, die aber logischerweise nicht zum Verkauf stand.

KorkSehr häufig ist mir die Arbeit mit dem Material Kork ins Auge gesprungen. Bei Kork denken die meisten an die gute alte Pinnwand. Ausgehend von dieser Assoziation finde ich Modeprodukte aus diesem Stoff witzig und cool. Gleichzeitig gehören für mich beige, hellbraune und schlammige Töne zu den schönsten. Jedes Mal also, wenn ich ein neues Modeaccessoire aus Kork entdecke, bin ich begeistert. Meine Eltern hatten sogar in den 80er Jahren eine komplette Wand ihres Schlafzimmers mit Kork bedeckt.

Super-cooler Sportbeutel aus Kork, von RISY, gesehen bei etsy.com, und Schnürpumps von Sixtyseven, gesehen bei zalando.de.

Als ich vor dem Stand von Alexascha stand, gab es kein Halten mehr. Ein schmaler Taillengürtel aus Kork schlängelte sich mit seinen Artgenossen um eine Schmucksäule. Als ich ihn sah, dachte ich nur eines: „Ich muss ihn mir unbedingt näher anschauen!“ Wie magnetisch angezogen kämpfte ich mich an den anderen Frauen am Stand vorbei. Mein Ziel war klar, nur der Weg sah nach Arbeit aus. Ich drückte mich zwischen einem Mädchen und dem Ausstellungstisch vorbei, ohne sie zu berühren und fühlte mich schon heldenhaft. Als ich vor dem Gürtel stand, stieß ich eine andere leicht mit dem Ellenbogen und versank ein wenig im Schamgefühl („Wie kann ein Gürtel dich in eine Wahnsinnige verwandeln?!“).

Doch das alles war immer noch Nebensache. Die sympathische Schmuckdesignerin beobachtete, wie ich à la Indiana Jones mit Bedacht den „Schatz“ anhob, ohne dass der Säulen-Palast zusammenstürzte. Im Grunde war es da schon um mich geschehen. Als sie mir dann noch half, den Gürtel anzuprobieren, konnte ich nicht mehr Nein sagen, auch wenn ich sonst für einen Taillengürtel nicht 25 € ausgegeben hätte.

Taillengürtel von Alexascha, gekauft beim Elbrausch-Designmarkt in Hamburg.

Falls Kork auch euer Thema ist, lohnt sich der Blick gen Portugal: Lunadesign stellt super-schöne Schuhe und Taschen aus Kork her und ist mir vor ca. 2 Jahren auf der Altonale aufgefallen. Sie verkaufen ihre Produkte im Elbeeinkaufszentrum an einem Stand oder online.

Rucksack

Rucksack von Lunadesign.

Dieser Beitrag wäre natürlich nicht vollständig, wenn ich nicht auch noch auf das Kork-Modeprodukt schlechthin hinweisen würde: Sandalen und Pantoletten mit einer Korksohle. Ein Trend der 70er Jahre, der soweit ich weiß noch nie aus der Mode gekommen ist. Nicht schlecht, dass gerade jetzt der Sommer naht. Und falls der Schuh ins Schwimmbecken oder Meer fällt, keine Sorge: Kork schwimmt immer oben!

Alles gesehen bei zalando.de: Schaftsandalette aus Kork und Denim von Shoe The Bear, hohe Plateau-Sandalette im Stil der 70er Jahr von Buffalo und flache Pantolette mit Kupfer und Kork von Esprit.

Napoli, the black beauty!

Napoli, the black beauty!

Neapel, eine chaotische Schönheit, die allen Klischees entspricht und einen doch so sehr überrascht. Nicht zuletzt in Sachen Mode! Wie so viele Italianisti behaupte ich gerne und dann gleich auch noch mit Stolz, ich kenne dieses wunderbare Land. Eben mit dieser verhängnisvollen Arroganz habe ich mich auf das modische Terrain Neapels begeben und wurde eines Besseren belehrt! (Ätsch-bätsch!)

Nein, Neapel ist nicht Mailand und Neapel ist auch nicht Anna dello Russo und wie sie alle heißen mögen in dem ach so gehypten Modeuniversum. Neapel ist laut, schmutzig, wild, authentisch und nicht zuletzt dunkel. Dunkel auf eine positive, geheimnisvolle Art. Wer es nicht wusste, die Gassen der Altstadt sind mit Blöcken aus Vulkangestein ausgelegt und der ist eben schwarz. Der Vesuv prägt diese Stadt insofern in vielerlei Hinsicht.

 

Ich habe klassische Bellezze erwartet mit langem, wallendem Haar mit einem natürlichen Schimmer, für den andere Frauen töten würden (und nicht etwa die Camorra), und  das habe ich in der Tat auch gefunden, ABER abzüglich des „klassisch“.

Neaples Frauen sind wie die Stadt selbst, schön und manchmal eben etwas übertrieben. Auf der einen Seite sieht man ganze Familien, die samt Kinderwagen durch die Stadt schlendern und dabei einem Kaleidoskop gleich in allen Farben und Stoffen schimmern: rosa Jogginghose oder Leggings gepaart mit goldenen Turnschuhen und Designer-Faketaschen, die es überall auf den Straßen zu kaufen gibt, dazu eine lange oft zerwühlte Mähne oder im schlimmeren Fall mit schlecht gefärbtem blonden Haar. Auf der anderen Seite sieht man sehr gestylte Mädchen, die aber alle zwei Dinge gemeinsam haben: adidas originals in allen Farben und Musterungen und/oder die Farbe Schwarz!

Diese Diashow benötigt JavaScript.

Es ist ein ganz eigener Stil dieser „schwarze Sportsstyle“. Er ist nicht wie der androgyne, skandinavische Stil der sogenannten Hippster. Er ist viel weiblicher, um nicht zu sagen erotischer und aggressiver alla „Eccomi, guardatemi tutti!“ (übersetzt: „Hier bin ich, seht mich alle an!“) Diese Modeausprägung gefällt mir gut, nur dass ich sie nicht unbedingt in Neapel erwartet hätte. Adidas originals hier, adidas originals da und schwupp-di-wupp, die Falle schnappte zu und in meinem Hotel standen nagelneue adidas originals in Schlangenoptik (sono bellissime).

adidas 2

Je mehr Zeit ich damit verbrachte, diese Großstadt und ihre Modevertreterinnen zu beobachten, desto bewusster wurde mir, wie anders Mode hier interpretiert wird als zum Beispiel in Hamburg. Mein Reisecompagnon und ich fielen regelrecht auf. Ich weiß nicht genau, woran es lag, aber ich selbst kam mir wie ein modischer Fremdkörper vor.Vielleicht war ich einfach zu bunt, vielleicht hatte ich auch aber einfach (noch) die falschen Turnschuhe an. Mein Fazit ist: Mode all’italiana gibt es nicht und das ist auch interessanter so!