Überdosis Mode

Überdosis Mode

Die Luft ist raus! Ich weiß nicht mehr, wie man shoppt. Oder jetzt mal ehrlich ausgedrückt: Ich habe in den letzten Jahren so viel geshoppt, dass ich zurzeit an einer Überdosis an Klamotten leide. Doch spulen wir mal zum Anfang zurück.

Das Spiel von Sucht und Verzicht

Ich habe von klein auf Mode geliebt und mich abhängig von Kleidungsstücken schon als Sechs-, Acht-, Neun-, Zehnjährige usw. ganz besonders gefühlt. In meinen Teenagerjahren litt ich stark darunter, dass mein Taschengeld einfach nicht für all das reichte, was in der Bravo Girl und in der Mädchen angepriesen wurde. Meine Eltern hatten logischerweise andere Sorgen, als einem ihrer beiden Kinder Unmengen von Hosen, T-Shirts, Taschen und Schuhen zu kaufen. Verzichten war an der Tagesordnung und das damit verbundene Leiden nahm absurde Ausmaße an. Ich war neidisch, weil meine Freundin immer alles bekam, un ich fühlte mich unattraktiv.

Eines Tages kam ich auf die Idee, Zeitungen auszutragen, um mir was dazuzuverdienen neben dem Taschengeld. Das hatte zwei Vorteile: Erstens war ich aktiver, zweitens hatte ich endlich etwas mehr Geld, um mich bei der damals noch einzig brauchbaren Modekette H&M auszustatten. Doch in dieser Zeit begriff ich (endlich), dass es neben Mode (obwohl sie die unangefochtene Nummer eins blieb) noch andere schöne Sachen gab, für die man Geld benötigte. Und das war und ist das Reisen.

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Nun wurde also mein Problem schlimmer, denn ich brauchte ja das Geld für zusätzliche Kleidungsstücke für den Urlaub und den Urlaub selbst. (Ja, für mich macht es einen modischen Unterschied, ob  ich im Urlaub oder zuhause bin.) Also fokussierte ich mich immer kurz vor der Abreise auf das Zusammenstellen einer idealen Urlaubsgardarobe. Ich realisierte zu dem Zeitpunkt, dass der Kleiderschrank einfach nicht in den Koffer passte. Also musste ich wieder lernen, zu verzichten.

Im Urlaub entdeckte ich dann die schöne Nebenerscheinung von „zu wenig“ Klamotten und das war Kreativität. In einem früheren Beitrag („Inspirationsquelle: Sommer“) schrieb ich von genau diesem Phänomen. Wenn man wie ich jeden Tag ein anderes Outfit braucht, muss man in einem zwei- bis dreiwöchigen Urlaub erfinderisch werden. So verwandelt sich ein Pencilskirt in ein Kleid und einfache Tops wirken zu schicken Hosen kombiniert einfallsreich. Verzicht wurde also ungewollt zu etwas Positivem … (endlich).

Das Gute siegt immer am Ende …

Das Spiel aus Verzicht und Shoppingsucht ging mithilfe von Minijobs während der Schul- und später während der Studienzeit weiter bis ich 2010 anfing, zu arbeiten. Das war mein triumphaler Sieg über den Verzicht! Hach, endlich hatte ich genug Geld, um zu shoppen bis der Arzt kommt. Am Anfang war ich noch recht vernünftig und streckenweise zurückhaltend, da ich ja nicht gleich genug verdiente. Doch die Jahre vergingen und die Beförderungen kamen. Damit kamen auch die wöchentlichen Shoppingtouren. Gesteigert habe ich das Ganze, indem ich mich in die grenzenlose Welt des Online-Shoppens begab. Ach, war das schön!

Ich habe aber nicht damit gerechnet, dass mein Schrank schon bald aus allen Nähten platzen würde. Ich hatte mich bis dahin nie mit dem Gedanken auseinandergesetzt, dass ich zu viele (!) Klamotten, Schuhe und Taschen haben könnte. Aber es wäre ja gelacht gewesen, wenn ich nicht schnell Abhilfe gefunden hätte. Ich besorgte mir einen schmalen Schrank einzig und allein für meine Taschen und Schuhe. Das erschien mir nicht etwa übertrieben, sondern brachte mich meinem ewigen Traum von einem Ankleidezimmer näher. Mein halbes Schlafzimmer war ab jetzt der Mode gewidmet. Super!

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Aus Verzicht werden Träume gemacht

Heute befinde ich mich an einem Wendepunkt im Leben. Es geht mir um die Frage, womit ich mein Leben ausfüllen möchte. Was soll am Ende in Erinnerung bleiben, wenn ich im hoffentlich hohen Alter darauf zurückschaue. Klamotten sollen es sicher nicht sein – und können sie auch gar nicht. Ich möchte mich hier nicht als pseudo-geläuterte Person hinstellen und erzählen, wie sinnvoll und frei ich nun lebe. Natürlich liebe ich Mode nach wie vor. Doch mir passiert es immer häufiger, dass ich durch Zufall in meinem Schrank Kleidungsstücke entdecke, die ich erst vor Kurzem gekauft hatte, jedoch schon fast wieder vergessen habe. An diesem Punkt frage ich mich eben, wie sehr habe ich dieses oder jenes wirklich gebraucht und hätte ich das Geld nicht lieber für was anderes verwenden können.

Es ist es seit Jahresanfang bei mir so, dass ich mehr als gesättigt bin (wir haben jetzt Ende Februar, also mal sehen, wie weit ich komme). Wenn ich in einen Laden gehe, sehe ich immer noch schöne Dinge, die ich unbedingt haben will, doch dann kommt erst: „Brauchst du das wirklich?“, gefolgt von:“ Ist es dir wirklich so viel wert, oder möchtest du lieber für was anderes sparen?“ Genau darin liegt die Wahrheit zurzeit für mich. Ich möchte in baldiger Zukunft, eine lange Reise machen. Und jede Anschaffung lege ich auf die Goldwaage zusammen mit diesem Traum. Der Traum siegt bisher haushoch!

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Mit 34 Jahren hat man schon einige schöne Erinnerungen in seinem imaginären Tagebuch gesammelt, die zum Durchblättern und Schwelgen anregen. Sollen weitere Seiten dieses Buches gefüllt werden, so ist es an der Zeit, ganz klare (oder neue) Prioritäten zu setzen. Mode wird immer ein wichtiges Kapitel in meinem Leben bleiben, doch wie ich gesehen habe, verwandelt sich Verzicht auf die eine oder andere Weise immer in etwas Positives. In diesem Sinne: Genieße ich, was mein Kleiderschrank zu bieten hat, erlaube mir ein paar Suchtmomente und träume zielsicher von der schönsten Erinnerung meines Lebens!

 

 

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Individueller Mainstream in Kopenhagen

Individueller Mainstream in Kopenhagen

Oh ja, es stimmt, Kopenhagen ist wunderbar. Warum? Weil trotz Schietwetters Fröhlichkeit, Freundlichkeit und Lebenslust vorherrscht! Es ist genau so, wie man überall nachlesen kann: Der Lebensstandard in Dänemark ist hoch. Warum? Dafür findet wahrscheinlich jeder einen anderen Grund, doch keinem entgeht dieses positive Gefühl, das einen regelrecht mitzieht, ohne dass man sich dessen wirklich bewusst wird. Plötzlich lächelt man jeden an, denn jeder lächelt einem sowieso schon zu. Quasi ohne Grund sind alle nett, freundlich und sympathisch. Das ist im positivsten Sinne ansteckend!

Für Mode- und Designfans ist es ebenfalls das Paradies. Es herrscht ein individueller und doch ähnlicher Stil, der wie unüberlegt und fast wie durch völlige Modegleichgültigkeit entsteht, doch das Gegenteil ist der Fall. Die dänischen Mädels lieben den undone, casual, eben den skandinavischen Look (wie ich ihn definieren würde). Vielleicht ist der Stil am ehesten den beiden Jahrzehnten der 80er und 90er (Grunge ist hier Gesetz) zuzuschreiben. Die vorherrschende Farbe ist keine, nämlich Schwarz. Die meisten Mädels tragen weite, fließend fallende, schwarze Stoffhosen, zu denen der „Laie“ ganz unbedacht Hochwasserhosen sagen würde. Es scheint aber gerade diese Kürze dem Outfit die Würze zu geben, denn unten blitzen adidas, Pumas oder Dr. Martens hervor oder eben andere Schuhe, die diese prominente Inszenierung verdienen.

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Oben herum trägt die dänische Schönheit weite Jacken und Mäntel, zum Teil ausgefallene Stücke mit Leoprint, aus Teddystoff oder Gehröcke (da sind sie wieder die 90er) oder aber Trenchcoats. Die Taschen sind meistens fast so groß wie eine mittelgroße Sporttasche und auffällig viele sind von der Marke DAY Birger et Mikkelsen, der auch ich unbewusst vor zwei Jahren bei zalando zum „Opfer fiel“.

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Die Haare sind entweder kurz und blond oder sie hängen in einem ausgeleierten Chignon über den Schultern und sind meistens…blond. Das Make-up scheint sich bei den meisten Däninnen hinter der Trägerin zu verstecken, so als ob es nur aufgetragen werden würde, um die Natürlichkeit zu unterstützen, nicht diese zu pimpen. (Wozu auch? Die Däninnen sind elfenartig schöne Wesen.)

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Diese Beobachtungen lassen sich eigentlich überall machen, doch ich begab mich zu diesem Zwecke in die Stadt, auf den Strøget, der Einkaufsmeile Kopenhagens. Wie den meisten „Süchtigen“ bin auch ich als Fashionista immer auf der Suche nach dem „Mehr“, aber nicht so sehr im quantitativen Maß, sondern im Maß der Vielfalt an neuen Marken und Geschäften. Wer relativ viel rumkommt, bemerkt zumindest in Europa fast immer und überall in den Einkaufsstraßen die gleichen Shops, wie H&M oder Zara. Doch hier in Kopenhagen ist es endlich anders. Bis auf die beiden genannten sowie Vero Moda und Only durfte ich in den Genuss mir gar nicht bekannter Shops kommen (Envii.com) bzw. solcher, deren Existenz mir nur aus dem Internet (Gina Tricot) bekannt war. Plötzlich ging ein greller Strahl à la „Batman calling“ gen dunklen Wolkenhimmel Kopenhagens: Es war mein Strahlen vor Freude. Obwohl müde von langen Tagen und Nächten der vergangenen Woche, konnte ich mich nicht zurückziehen, sondern nur noch losziehen in die ganzen neuen „Fundgruben“.

Wer relativ viel rumkommt, bemerkt zumindest in Europa fast immer und
überall in den Einkaufsstraßen die gleichen Shops, wie H&M oder Zara.
Doch hier in Kopenhagen ist es endlich anders.

Selbst wenn mir die Kleidungsstücken in den Shops nicht immer zusagten, so war es der Shop selbst der meine ganze Aufmerksamkeit verdient hatte. Was Besseres als stlyish fällt mir hier voller Entzücken einfach nicht ein. In Kopenhagen scheint alles einem Prinzip zu folgen, nämlich Ästhetik, so eben auch die Shops. 

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Um zu den Kleidungsstücken zurückzufinden, sei gesagt: Wer ausgefallene Stücke sucht, der ist in Kopenhagen richtig und ich habe dieses Mal noch nicht einmal die ganzen Secondhand-Läden besucht! Doch, es gibt natürlich ein Doch. Die Preise sind auch so hoch, wie man es überall nachlesen kann. So kann man schon einmal für einen einfachen Jersey-Jumpsuit 70 € ausgeben, was den Preis eigentlich nicht verdient hat. Naja, aber man hat was zu Gucken und man ist als Modesüchtiger einfach im siebten Himmel. Wenn man bewusst sucht und sich Zeit lässt, dann kann man auch günstigere Stücke ergattern. Gesagt, getan!

 

 

 

 

Palermo, die Aufstrebende

Palermo, die Aufstrebende

Als ich vor einem Jahr beschloss, diesen Blog zu führen, war mein Antrieb, einen etwas anderen Modeblog zu schreiben, nämlich einen Blog über das Lebensgefühl „Mode“ (und nicht so sehr über die Must-haves der Saison). Egal, wohin ich gehe, Mode umgibt mich, Mode zieht mich an, weil ich nun mal so bin. Wenn ich neue Orte bereise, so geht es natürlich um Architektur, Lebensgefühl, Kultur und Sprache, doch für mich auch immer um Mode. Worauf würde ich in Palermo treffen?

Beeinflusst von der unglaublichen Erfahrung in Neapel vor einem Jahr, machte ich mich auf einen bestimmten Stil gefasst, der sich generationenabhängig durch die Bevölkerung zieht. Doch, nein, ich bin mir keiner inspirierenden Auffälligkeit bewusst geworden in Palermo. In Neapel dominierte Schwarz kombiniert mit Adidas Sneakern. In Palermo…. Tja, in Palermo dominierte eher das Dasein. Wie von einer mediterranen Stadt am beinahe südlichsten Zipfel Europas nicht anders zu erwarten, ist das Beisammensein, die spontanen Ansammlungen an den Piazzen, Gassen und Straßenecken das Gebot des Lebens. „Kleider machen Leute“ erschien mir als Lebensmotto hier geradezu lächerlich. Sicherlich ist Palermo eine Stadt mit vielen Problemen, wie Arbeitslosigkeit und einer paralysierenden Perspektivlosigkeit, die einen eher dazu treiben, sich ums pure Überleben als um die Kleiderauswahl zu kümmern. Eines ist jedoch ganz klar:

Die Palermitaner bleiben bei all dem irgendwie beneidenswert
entspannt und lebensfroh.

In anderen Reiseberichten und -blogs war von der Omnipräsenz der Mafia die Rede und von zum Teil unfreundlichen Stadtbewohnern, doch all dem kann ich nur bedingt zustimmen. Ja, es gibt die Mafia, doch viel auffälliger waren die Plakate, Graffitis und Aufkleber, die die Bekämpfung der Mafia propagierten. Natürlich durfte auch ich am Rande erfahren, dass unser unglaublich sympathischer, von sizilianischem Temperament strotzender Restaurantbesitzer das eine oder andere Wort über Schutzgeld, dem pizzo, fallen ließ. Doch dabei beeindruckte mich (erneut) der Wille, dagegen vorzugehen, der Wille sich nicht unterjochen zu lassen und der Wille, das eigene Leben selbst in die Hand zu nehmen. (Einige lautstarke Gespräche am Handy verrieten dies. LOL)

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Anti-Mafia-Sticker an der Haustür.

Wenn wir schon bei einem Modeblog sind, dann sollte der sehr eigene Kleidungsstil dieses Herren nicht unerwähnt bleiben. Auf dem Kopf die „Coppola storta“, am Oberkörper ein Gillet sowie eine merklich uninteressante Jeans und schön, abgetragene Herrenlederschuhe. Beinahe wie der Zeitungsverkäufer auf der Straße aus den 20er Jahren.

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Coppola storta, der typisch sizilianische Herrenhut.

Auch ein Grund, aus dem ich nicht allzu viel über die Modetrends der Frauen in Palermo schreiben kann, ist die Tatsache, dass das Stadtbild von Männern geprägt war. Wohl ein Ausdruck des doch ziemlich stark vorherrschenden Patriarchats in diesem Teil Italiens bzw. Europas. Auf den sehenswerten Märkten, Ballarò e Capo, wo der Orient und Okzident miteinander verschmelzen, sieht man Männern. In den meisten Restaurants bedienten Männer. Auf den Straßen: Männer. In dem, einem Ghetto leider sehr nahe kommenden, Stadtviertel nahe des Hafens: Männer. Und deren Kleidungsstil ist praktisch, nicht ausgesucht.

Glücklicherweise (für diesen meinen Blog) kann ich eine mir den Atem raubende Überleitung zu einem ganz besonderen Mann Palermos an dieser Stelle anfügen. Ich hatte die fantastische Idee, während meines Urlaubs in die Oper zu gehen, ins Teatro Massimo. Unter den Besuchern mischten sich der Casual-Look mit dem, tja, wie möge man das nennen, mit dem Pompös-Ausgefallenen! Während der Pause entdeckte ich einen Mann, dessen Existenz mir nur in Filmen möglich schien. Liberace in Person stand vor mir. Ein Herr um die 60, blondiertes, in einen weichen Seitenscheitel gelegtes mittelkurzes Haar, um die Schultern eine langer Pelzumhang, der die zahlreichen Perlen- und Goldketten um dessen Hals beinahe verschlang. An den Füßen trug der zierliche Herr Damenschuhe mit einem kleinen Absatz so wie es die First Lady der 60er bevorzugte. Um ihn herum scharwenzelten seine Accessoires: junge, bildhübsche, schwule Männer um die 20.

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Das atemberaubend schöne Teatro Massimo.

Ich war baff. Ich war fasziniert von der Selbstverständlichkeit seines Aussehens, seines Gehabes, seiner Entourage! Ziemlich schnell merkte ich, dass außer mir kaum einer starrte, was nur bedeuten konnte, dass er keine unbekannte Persönlichkeit sein konnte. Wie sich am Ende herausstellte war es der Nachkomme einer uralten, reichen Familie aus Palermo. Selbst beim Schreiben überkommt mich das Gefühl, Teil eines Films oder einer Zeitreise in den Barock gewesen zu sein – natürlich nicht zuletzt auch wegen des grandiosen Teatro Massimos.

Ich war baff. Ich war fasziniert von der Selbstverständlichkeit
seines Aussehens, seines Gehabes, seiner Entourage!

Außer Liberace traf ich auch noch den Jäger aus Rotkäppchen, der mit seinem schweren, dunklen Cape die Gänge des alten Theaters nach Wölfen absuchte. Alle anderen Besucher waren wie oben erwähnt entweder deutlich unter dem Auffälligen oder haben ins Schwarze eines 08-15-Outfits getroffen.

Auch wenn ich keine inspirierende Erfahrung in Sachen Mode gemacht habe, so doch in Sachen Lebensgefühl, Durchhaltevermögen und natürlich in Sachen gutes Essen. Palermo ist chaotisch, zum Teil in uralten Zeiten zurückgeblieben, rau, manchmal sehr ernst, laut, auch arm, aber es lebt und die Geschichte hat gezeigt, dass es alles überlebt. Eine starke Stadt, die es sich zu sehen lohnt – mit oder ohne Shopping-Pläne!

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