(Pf)ui! Das trägt man jetzt wieder

(Pf)ui! Das trägt man jetzt wieder

Es ist kein Geheimnis, sondern ganz im Gegenteil, es ist ein offenes Statement, dass Mode der vergangenen Jahrzehnte wieder auf die Laufstege und Straßen gebracht wird. Ich beschäftige mich immer wieder mit diesem Phänomen und frage mich, ob Modeschöpfung an ihre Grenzen gekommen ist oder ob etwas anderes dahintersteckt, Vergangenes für modern zu verkaufen.

Es gibt meiner Meinung nach ganz unterschiedliche Thesen, die erklären könnten, warum das so ist. Am Ende liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte.

Modeschöpfer möchten vielleicht betonen, dass Trends, die lange keine mehr waren, es eigentlich nicht verdient haben, nur auf den Wühltischen von Flohmärkten ihren Glanz zu verbreiten. Plateauboots mit grober Sohle, Beuteltaschen für die Hüfte, Buffalo-Stiefel, Cateye-Sonnenbrille, Choker-Ketten und, und, und sind in den Augen mancher Designer vielleicht einfach wirklich schön! Manches würde ich unterschreiben, aber eben nur manches, obwohl ich selbst mal Anhängerin der besagten Teile gewesen bin.

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Photo by Atikh Bana on Unsplash

Ich beobachte aber auch, dass ein eigentlich altmodischer Stil kopiert wird, um sich gerade von den Trends und von dem Mainstream abzuheben. Letztens habe ich im Bus einen jungen Typen gesehen mit Schnäuzer, Bubikopf-Haarschnitt und runder Brille. Er erinnerte mich an einen Intellektuellen oder an einen Künstler der 20er oder 30er Jahre. Vermutlich geht es ihm darum, das Anderssein zu betonen, ohne viel darauf zu geben, dass es vergangene Stilelemente sind, die jetzt wieder in sind oder sein könnten.

Was mich sehr langweilt, ist zu sehen, dass alte Trends von Kopf bis Fuß kopiert werden, ohne für etwas zu stehen. So beobachte ich oft in der Einkaufsstraße diese Horden von jungen Mädels, die nicht nur alle untereinander gleich gekleidet sind, sondern auch noch identisch zu ihren vermeintlichen Vorbildern. Zwei Teenies hatten wohl die Zeitmaschine aus dem Jahr 1994 genommen: Karottenhosen, Stoffhaargummis, bauchfreie T-Shirts und Rucksäcke. In diesen Fällen handelt es sich zwar auch darum, sich abzugrenzen, doch sie haben in den 90ern noch nicht gelebt und sie haben sich vermutlich auch nicht mit diesem Abschnitt in der Modehistorie auseinandergesetzt. Sie verbinden mit der Kleidung nicht so sehr ein Jahrzehnt samt Lebensgefühl, sie tragen einfach etwas für sie Neues.

Die schönste These ist für mich die, dass weniger Trends als vielmehr ein Lebensgefühl kopiert wird. Sie deckt sich ein wenig mit der Überlegung von weiter oben. Der junge Kerl, der den aufstrebenden Individualismus der 20er bzw. 30er Jahre oder etwas Vergleichbares nach außen tragen will. Je weiter man in der Modegeschichte zurückgeht, desto offensichtlicher wird die Weiblichkeit in der Frauenmode, mal auf eine sehr züchtige Art und Weise (50er Jahre), mal auf eine gänzlich extrovertierte Erscheinungsweise (60er, 7oer und 80er Jahre). Mir persönlich gefallen die 70er sehr gut. Ich habe einige Teile aus dieser Zeit in Vintage-Shops ergattert und beim Tragen habe ich dieses besondere Gefühl einer bewussten Betonung der Weiblichkeit, der Freiheit, der Leichtigkeit, der unbegrenzten Möglichkeiten. Die Ästhetik von einst ist für mich nicht verblasst und lässt mich anders fühlen, macht Mode zu etwas wirklich Besonderem.

Je weiter man in der Modegeschichte zurückgeht, desto offensichtlicher wird
die Weiblichkeit in der Frauenmode, mal auf eine sehr züchtige Art und Weise
(50er Jahre), mal auf eine gänzlich extrovertierte Erscheinungsweise
(60er, 7oer und 80er Jahre).

Was auch zum Teil geschieht, ist die Neuinterpretation von alten ‚Trends. Ich finde bei der Hornbrille hat sich das so vollzogen. Während sie früher eben das aktuelle Gestell für jedermann war, ist sie heute vor allem bei Hippstern oder bei einer bestimmten Berufsgruppe (Werbung, Modeindustrie, künstlerische Berufe) wiederzufinden. Sie wurde mit einer neuen eigenen Bedeutung aufgeladen. Mittlerweile ist die Hornbrille nicht der wiedergekehrte Trend, sondern sie hat sich quasi neu erfunden. Konträr lief es wohl mit dem Converse-Sneaker: früher nur für die flippige Jugend, heute hat jeder ein Paar zuhause (mich ausgenommen). 

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Photo by Arnaud Mesureur on Unsplas

Es liegt natürlich immer alles im Auge des Betrachters und ich weiß nicht, was jemand anderes denkt, wenn er mich in meinem Hosenrock mit Paisley-Muster sieht, aber mir gefällt es, wenn Mode „spricht“, egal aus welchem Jahrzehnt sie stammt. Das ist es überhaupt, was mich persönlich an Mode fesselt. Sie drückt etwas aus (ob gekonnt oder nur gewollt, das sei mal dahingestellt). Sie ist für mich die zweit schönste Sprache der Welt.

 

 

 

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Wie Marken Herzen brechen

Wie Marken Herzen brechen

Ich liebe jede Form von Kosmetik. Von Kopf bis Fuß gepflegt. Es ist mehr als ein Hobby. Es ist eine Sucht. Eine volle Tüte von dm, Budni, Sephora oder Douglas macht mich glücklich. Und wie bei echten Junkies will ich immer mehr, immer besseres Zeug. Maskara-Applikator, Gesichtsmasken-Pinsel oder bohnenförmige Haarbürste, egal wie zugegebenermaßen überflüssig manch Produkt scheinen mag, ich bin in weniger als zwei Sekunden in dessen Bann gezogen.

Ich arbeite in der Werbung und weiß eigentlich sehr gut darüber Bescheid, wie Bedürfnisse künstlich ausgelöst werden. Und doch kann ich mich dieser Wirkung in Sachen Kosmetik und Mode nicht entziehen. Ich brauche ständig neuen Stoff, um wieder das Hochgefühl zu erleben. Mir scheint, dieser Text wird wie eine Selbstreinigung. Da haben wir es wieder „Reinigung“! Ja auch Duschgels, Badezusätze und Peelings liebe ich.

Und nun kommen wir zu dem „eigentlichen“ Problem an dieser Geschichte. Es kommt nicht allzu oft vor, aber ab und an finde ich Produkte, an denen ich tatsächlich Jahre hängen bleibe ODER HÄNGEN BLEIBEN MÖCHTE, doch die Marketingfachleute und Einkäufer sehen das leider manchmal anders und ich frage mich, wieso (zum Teufel nochmal).

Fangen wir mal an mit dem Shampoo von L’ORÉAL „GLATT-INTENSE“. Ich habe jahrelange immer wieder andere Marken gekauft, sobald die Flasche leer war. Jetzt kehrte endlich etwas Ruhe in mein Gehirn. Ja, endlich konnte ich in die Drogerie gehen und ohne langes Überlegen zu meinem Lieblings-Shampoo greifen, dann zufrieden zur Kasse gehen und zuhause das Objekt der Begierde stolz seinen Mitinsassen in meinem Bad präsentieren. Doch es kam anders. Das Shampoo war nicht mehr auffindbar. Wie ein Tiger in Gefangenschaft lief ich frustriert und wütend das Regal mit den Shampoos auf und ab. Meine Augen scannten die Flaschenetiketten schneller ab als eine Maschine es vermochte. L’ORÉAL hier, L’ORÉAL da, aber kein „GLATT-INTENSE“. Einige Filialen und Wochen später, stand fest: Das Produkt ist nicht mehr auf dem (deutschen?) Markt.

Wie ein Tiger in Gefangenschaft lief ich frustriert und wütend das Regal
mit den Shampoos auf und ab.

„Gut, egal! Das ist DIE Chance, Neues auszuprobieren. Was gibt es Besseres?“, sagte ich mir, wohl wissend, dass sich selbst zu belügen nicht gesund ist. Und so begegnete ich ihm, dem Shampoo meiner Träume: „FRIZZ MIRACLE“ von AUSSIE. Jedes Mal aufs Neue, wenn ich zur Drogerie schritt, machte sich Freude in mir breit. Ich war der coolen Marke aus Australien erlegen. Die Marketingleute hatten ganze Arbeit geleistet. Ich fand es toll, mir die Haare mit einem Produkt aus dem „Sunshine-Beach-Surfergirl“-Staat zu waschen und das Ergebnis war nicht nur Einbildung. Bis sich eines Tages der Glücksbärchimodus in den Exorzistenmodus verwandelt hatte. Denn auch dieses Produkt ward nicht mehr gesehen. „WARUUUUUM???“

„Wer nicht kämpft, hat schon verloren!“ Ja, ja, ja und JA (!) das trifft auf mich zu. Die beiden Shampoos waren nur das Ende vom Lied. Denn es wäre ja nicht auffällig genug, wenn es sich nur um die beiden Shampoos handeln würde. Diese absurde Geschichte geht noch weiter.

Man mag es kaum glauben, aber auch mit dem Duschgel „VERWÖHNDUSCHE -SCHWARZE ORCHIDEE“ der Rossmann-Marke ISANA ist es mir ebenso ergangen. Was man nicht alles durchmacht! In dem folgenden Fall muss ich zugeben, ein Idiot gewesen zu sein. Wer kauft schon eine limitierte Edition und glaubt, das Produkt ewig kaufen zu können? Tja, ich, denn als alte Marketingeule glaubte ich, auch das sei nur ein Trick, um die Leute bei der Stange zu halten. Drei Flaschen konnte ich ergattern und dann war Schicht im Schacht.

Der letzte Fall ist für die Marke wahrlich ein Eigentor. Seit ich vor über 10 Jahren von Zuhause ausgezogen war, habe ich mal aus finanziellen und mal aus anderen Gründen darauf verzichtet, Weichspüler zu kaufen. Vor nicht allzu langer Zeit gab es in meiner Stammdrogerie ein sensationelles Angebot: „Vernel Soft & Oils“ von Henkel für nur 1 €. Ich gab mir einen Ruck und kaufte die Flasche. Glücklicherweise muss man sich das Geschleppe nicht allzu oft antun, denn die Flasche hielt einige Wochen. Wohl einige Wochen zu viel. Denn kaum war sie aufgebraucht, konnte ich das Produkt in keiner Drogerie mehr finden. „Schade, Henkel! Ihr hattet mich zu einer „Weichspülerin“ konvertiert und nun bin ich zu einer anderen vorrätigen (!) Marke gewechselt.“

Auf den ersten Blick erscheint dieses Thema belanglos und rein konsumgetrieben, doch auf den zweiten Blick ist es tragisch. Es ist tragisch, wie sehr wir uns von Marken ein schöneres Leben versprechen. Es ist tragisch, wie sehr diese vermeintlichen Bedürfnisse unser Leben zu dirigieren scheinen und es ist tragisch, dass wir uns machtlos fühlen. Machtlos im ersten Moment, wenn wir das Produkt nicht erhalten, machtlos im zweiten Moment, in dem wir merken, dass wir schnellstmöglich einen Ersatz benötigen.

Auf den ersten Blick erscheint dieses Thema belanglos und rein konsumgetrieben, doch auf den zweiten Blick ist es tragisch.

An dieser Stelle noch eine Ankedote aus meinem Leben, die ich mir wohl öfter in Erinnerung rufen sollte. Ich habe stets meinen Opa bewundert, der sich eine 3 Liter Flasche des einfachsten Apfel-Shampoos im Supermarkt holte und damit zufrieden war. Es ging ja nur ums Duschen! Klar war ihm Hygiene wichtig, aber gutes Essen, guter Wein, der Blick aufs Meer von der Insel, von der er kam, das waren die wahren Süchte des Lebens, die es ihm (in Maßen versteht sich) wert waren! Er kam aus einer Zeit, in der es weder Strom noch fließendes Wasser im Haus gab…

Und für alle Uneinsichtigen wie mich gibt es noch den Geheimtipp: Amazon. Dort gibt es all diese Produkte (außer der tatsächlich limitierten Edition von ISANA). In diesem Sinne: Kauft schön reinen Gewissens ein! 😉

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Und alle werden Einhörner

Und alle werden Einhörner

Seit ungefähr zwei Jahren geht ein zweifelhafter Trend durchs Land, der hauptsächlich junge Frauen zwischen 20 und 40 betrifft. Es geht um Einhörner, die einem Staatswappen gleich alles zieren, was das Frauenherz begehrt: Schuhe, Taschen, Smartphone-Cases, Schokolade  und, und, und. Ich frage mich jedoch, woher dieses Begehren eines fiktiven Wesens mit einem Horn, das unter anderem auch weniger zucker-süße Assoziationen erlaubt, kommt. (Ein Kollege sagte dazu: „Ach, die Pferde mit dem Dildo vorne drauf…“)

screenshot-156Mich verstört dieser Trend ein wenig, da ich Einhörner mit kleinen Mädchen in Verbindung bringe. Ich selbst war als 10-Jährige ein großer Fan und strahlte mit den Regenbogenfarben um die Wette, sobald ich ein Einhorn im Zeichentrickfilm oder als Spielzeug zu Gesicht bekam. Deshalb ja auch meine Verstörung. Finden wir Einhörner als erwachsene Frauen einfach nur schön, oder möchten wir den Schein eines unschuldigen, blutjungen Mädchens unterstreichen? So, wenn es also um Zweiteres geht, was ich leider Gottes in meinem näheren Umfeld immer wieder feststelle, dann finde ich es, naja, sorry, aber etwas abstoßend. Nur wenige Frauen können für sich einen wirklich abgedrehten Stil verbuchen, zu denen Einhörner wie das Tüpfelchen auf dem i passen. Alle anderen sind in der Regel Trend-Jägerinnen und/oder nach meiner Schlussfolgerung irgendwie komplexbeladen, da sie sich offensichtlich hinter dieser unglücklich gewählten Fassade eines Pferdes verstecken möchten.

 

Finden wir Einhörner als erwachsene Frauen einfach nur schön, oder möchten wir den Schein eines unschuldigen, blutjungen Mädchens unterstreichen?

Interessant ist da auch, wie schnell die Marketingfachleute darauf mit passenden Artikeln reagieren (oder war es andersherum?). Mittlerweile können sich Frauen quasi in Einhörner verwandeln, von Regenbogen-Haarfarben, über Hausschuhen bis hin zu Rucksäcken und was sonst noch. Wenn man diesen Gedanken zu Ende führt, dann muss man sich notwendigerweise fragen: Bin das wirklich ich oder macht mich die Werbung dazu. Damit komme ich dann gleich zu der nächsten Frage: Was denken eigentlich die Gesellen des anderen (des begehrten) Geschlechts darüber? Ich habe ehrlich gesagt noch keinen Mann danach gefragt, aber ich kann mir nur schwer vorstellen, dass ein geistig normaler Mann darauf abfährt, dass sich eine Frau als kleines Mädchen ausgibt.

Jedes Mal, wenn ich mich so weit aus dem Fenster lehne und andere verurteile, unterziehe ich mich selbst einem Check und naja, es gibt auch bei mir etwas, was für eine erwachsene Frau vielleicht nicht gerade typisch ist: Ich liebe Pandas! Ja, die dicklichen schwarz-weißen Bären, die zum Knuddeln süß sind. Doch ich habe nicht vor, Pandas als mein Markenzeichen auszugeben oder gar meine Garderobe damit zu schmücken. Für mich sind Pandas süß, so wie Katzen und Hunde auch, aber dabei bleibt es dann auch. Lustig war auch die Reaktion einer dieser Einhorn-Fan-Frauen, als ich ihr meinen Standpunkt näher brachte: Anstatt, wie erwartet, zig Argumente gegen den Kopf geschmettert zu bekommen, bekam ich eine beschämte Zustimmung. Why? Dies bestätigte noch mehr meine Annahme, dass es sich bei dieser Erscheinung entweder um einen Marketing-Trend oder um das Ergebnis nicht richtig entwickelter Persönlichkeiten handelt. Lieber wäre es mir gewesen, vom Gegenteil überzeugt zu werden.

Ich liebe Pandas! Ja, die dicklichen schwarz-weißen Bären, die zum Knuddeln süß sind. Doch ich habe nicht vor, Pandas als mein Markenzeichen auszugeben oder gar meine Garderobe damit zu schmücken.

Hinzu kommt, dass die meisten wahrscheinlich gar nicht wissen, wie Einhörner entstanden sind, dabei finde ich die Entstehungsgeschichte sehr lustig. Ich bin nur zufällig darauf gestoßen im Naturkundemuseum, was mich letztendlich zu diesem Beitrag inspiriert hat. Das Vorbild für das Einhorn ist nämlich der Narwal. Merkwürdig, dass ein real existierendes Lebewesen weniger Bekanntheit genießt als seine fiktive Nachbildung. Der Narwal hat nämlich wirklich so ein „Horn“, nur dass es sich dabei eigentlich um einen rudimentären Zahn handelt. Mich fasziniert dieses Tier um Einiges mehr als das Einhorn, aber das wundert ja jetzt sicherlich niemanden mehr.

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Um mit diesem Beitrag schlussendlich niemandem zu nahe zu kommen, möchte ich betonen, dass mir sehr wohl bewusst ist, dass auch ich mich nicht allen zweifelhaften Modeerscheinungen entziehe (und dass ich auch keine Psychologin bin), doch der Trend „Einhorn“ ist und bleibt mir einfach fremd. Pech für die Marketing-Leute, ein Glück für meinen Geldbeutel!

 

 

 

En vogue oder nicht mehr en vogue, das ist hier die Frage

En vogue oder nicht mehr en vogue, das ist hier die Frage

Wenn Mode dein Hobby ist, dann hast du ziemlich schnell ein gewaltiges Problem. Um immer als modisch durchzugehen, musst du mehr oder weniger wöchentlich neue Anschaffungen machen. Bist du erst einmal in diesem Sog drin, bleibt dir nichts anderes übrig, als dich bei den anonymen Shoppern anzumelden.

So oder so ähnlich habe ich mich gefühlt, als ich beschlossen habe, das folgende Experiment zu machen: Ich kleide mich durch meine beiden Kleiderschränke einmal komplett durch. Sprich von links nach rechts oder von oben nach unten. Quasi wie in 180 Tagen um die Welt. Mittlerweile sind meine Schränke nämlich so voll, dass ich den Überblick verloren habe. Ich greife fast immer zu den gleichen Kleidungsstücken und denke dennoch stets: „Nichts ist dabei, was wirklich schön ist.“

Das Schwierige an dem Experiment würde sein, sich unabhängig von Laune, den alten Kleidern bedienen zu müssen. Aber genau darum ging es mir. Ich wollte die Kleidungsstücke, die ich besitze, mehr zu schätzen lernen. Außerdem wollte ich herausfinden, ob ich mich von dem einen oder anderen Stück nicht doch trennen sollte.

Das Experiment baute sich wie folgt auf:

  1. Ziel: „Erfinde dich modisch neu mit dem, was du hast.“
  2. Dauer: 10 Tage
  3. Die Jury bin ich und alle Leser/innen, die einen Kommentar abgeben möchten.
  4. Ergebnis: offen bzw. coole Styles oder Start des effektivsten Ausmistens aller Zeiten.

Tag 1: Pastell trifft auf Herrenhose (ca. 2007 + 2011)

 

Tag 2: Wildes Aquarium (2013)

 

Tag 3: Lady in Tweed (2006)

 

Tag 4:  College-Look (2005/2006)

 

Tag 5: Black Panther (2002)

 

Tag 6: Pastell-Safari (2007 + 2013)

 

Tag 7: Ethno-Style (2008 + 2013)

 

Tag 8: Pink-Schwarz-Kombo (2004 + 2006)

 

Tag 9: Wolle trifft Seide (2008)

 

Tag 10: Streifenhörnchen (1997 + 2005)

 

Das Ergebnis war anders als erwartet und ziemlich positiv. Die Experimentvorgabe, sich täglich bewusst und unbedingt für alte Modeteile entscheiden zu müssen, fiel mir zwar schwer, hat jedoch nach kurzer Zeit schon ungemein Spaß gemacht. Hohes Kreativ-Potenzial war vonnöten, um alte und neue Stücke ideal zusammenzustellen. Schon bald wurde jeder Morgen zu einem freudigen Ereignis und einige nicht mehr brauchbare Stücke konnte ich auch aussortieren. Die landen jetzt bei Kleiderkreisel und Mächdenflohmarkt oder werden Bedürftigen gespendet.

Die auf den Fotos gezeigten Pullis, Kleider und Strickjacken bleiben auf jeden Fall in meinem Sortiment. Nach dem Experiment fühle ich mich deutlich weniger von der imaginären Wahnvorstellung gestresst, nichts oder nur wenig schöne Kleidungsstücke zu besitzen. Außerdem habe ich guten Gewissens ausgemistet, auch wenn ich zugeben muss, dass die Ausschussware sehr gering ausfiel. Eventuell würde ein objektiver Berater diesen Teil des Experiments etwas effektiver machen. Aber dann müsste ich mich ja von mehr Klamotten trennen….;-)

 

 

Wenn Minimalismus die Nerven schont

Wenn Minimalismus die Nerven schont

Der Minimalismus: Sinnbild modernen Designs, für manche skandinavischer Geniestreich in Sachen Fashion, Accessoires und Baukunst, für andere oft auch mit Kälte, Einsamkeit und Härte assoziert. Für mich ist es seit diesem 03. Juli 2016 etwas Erstrebenswertes – zumindest wenn es ums Reisen mit der Deutschen Bahn geht.

Angefangen hat alles mit einem nicht allzu spontan geplanten Besuch bei meinen Eltern. Die ganze Familie sollte endlich wieder an einem Ort und in derselben Zeitzone zusammentreffen, um den 1. Hochzeitstag meiner Schwester zu feiern. Wunderbar, Vorfreude pur, Glück floß durch meine Adern, nichts kann uns aufhalten. Natürlich, wie immer, wenn man sich im Glücksbärchi-Modus befindet, sollte man (ich?) am Endes eines Besseren belehrt werden. Ohne diese unerwarteten Schockmomente wäre das Leben aber natürlich sehr fad. „Ohne die Dunkelheit würden wir die Sterne nie sehen“ Blablablablub. Diese ganzen Weisheiten gehen mir in manchen Situationen, wie in der folgenden, reichlich auf den Geist.

Natürlich, wie immer, wenn man sich im Glücksbärchi-Modus befindet, sollte man (ich?) am Endes eines Besseren belehrt werden.

Bei Reisen fängt für Fashionistas alles mit der lästigen Frage an: Wie packe ich möglichst nur einen Koffer, in dem mein ganzer Kleiderschrank Platz findet und der ganz leicht ist? Für mich doch kein Problem mehr. Ich beschränkte mich sehr souverän auf den kleinsten Koffer, den ich besitze, sowie eine Handtasche. Sogar mein monströser Laptop konnte mit. (Ich erwarte jetzt übrigens weit aufgerissene Münder und starre Augen vor den Bildschirmen. Klar, oder?) Super, die einzige Hürde für dieses Wochenende war genommen. Es sollte an dieser Stelle angemerkt werden, dass ich so unschuldig und vernünftig dann doch nicht gewesen war, denn ich wusste, dass ich mit Mama und Schwester shoppen gehen würde. Das tröstete mich ganz schön bei der Aktion, lediglich eine Hose und drei Oberteile einzupacken.

In einem „echten“ Fashion-Blog würde jetzt mehr über die einzelnen Kleidungsstücke stehen, die ich geschickt und mit dem Kennerblick einer Fashionista eingepackt hatte. Doch das Lesenswerte an diesem Beitrag liegt ausnahmsweise mal nicht in der Beschreibung von Modetrends. Ich fuhr also mit meinem süßen, kleinen, eigentlich geschmacklosen Köfferchen mit Eiffelturm-Motiven los. Alles lief wie geplant. Noch! Es folgten eine reibungslose Ankunft (ja, sogar pünktlich), ein herzlicher Empfang durch Mama, Papa und mein Schwesterherz, dann der atemlos machende Austausch der letzten Neuigkeiten untereinander und schließlich etwas später die Ankunft meines tollen Schwagers. Nicht minder perfekt war der Start in den Samstag: 10 Stunden Schlaf, ein reich gedeckter Frühstückstisch und sogar das völlige Ausbleiben ohnehin unnötiger Familienreibereien. Die Kurzreise mauserte sich also langsam, aber stetig zu einem Traumurlaub.

Doch dieser fantastische Flow, der uns über den Samstag trug, sollte 10 Minuten vor der Abreise am Sonntag ein Ende haben.

Kaum waren wir alle zusammen zum Bahnhof gefahren, erfuhren wir die wenig überraschende Ankündigung der Bahn: 15 Minuten Verspätung. Typisch, immer Pech und Pannen, Schicksal, Weltuntergang, verdammte Schwarzrotgold Tütüüüü. Diese harmlos klingenden 15 Minuten bedeuteten für meine Schwester und ihren Mann, dass sie den Anschlusszug nach Kopenhagen verpassen würden, was wiederum dazu geführt hätte, dass sie in Hamburg hätten 2 Stunden warten müssen. Also nahmen sie einen Zug früher. Schön, ideal gelöst, aber der Abschied fiel sehr kurz und abrupt aus. Wir hatten uns noch nicht aufs Aufwiedersehensagen eingestellt, da waren wir schon getrennt worden. So verfiel auch die Reservierung, die ich für uns drei gebucht hatte. Ok, alles nicht so schlimm. Hauptsache sie kommen gut nach Hause.

15 Minuten später fuhr mein erwarteter Zug ein. Eine Frau mit zwei kleinen Kindern, eine Nonne, ein junger Kerl mit Ohrschützern genannt Kopfhörer und ich betraten den Wagen 9. Dieser glich einem Tatort: menschenleer und in rot-weißem Absperrband gehüllt. Schaffner? Fehlanzeige. Verwirrtheit? Weit und breit. Erst als ich die Aufschrift auf den Absperrband las, verstand ich, dass hier der Sommer wieder Einkehr gemacht hatte: 32 Grad aufgrund der ausgefallenen Klimaanlage. Und genau an dieser Stelle komme ich zu dem, was die Überschrift zum Ausdruck bringen soll:

Weniger Klamotten und weniger Taschen können ein Segen sein.

Völlig genervt von der Tatsache, dass die Plätze nicht nur verfallen waren, weil meine Reisebegleitung einen anderen Zug nehmen musste, sondern auch weil der Wagen einen Ausflug in die Tropen gemacht hatte, wusste ich zunächst nicht, was tun. Außer der Frau mit ihren Kindern, der Nonne und dem Typen kamen auf einmal immer mehr Menschen, die im Wagen 9 nicht bleiben konnten oder wollten. Jetzt war genau das eingetroffen, was ich eben mit einer Reservierung vermeiden möchte: Vollgepackt durch die Bahn rennen auf der Suche nach einem freien Platz. Ich beschloss, „den Sommer zu genießen“ und im Wagen 9 zu bleiben. Ich dankte Gott, dass ich den Zwiebel-Look gewählt hatte. Ich zog „Lage für Lage“ aus, bis ich mich zu einem Tanktop durchgekämpft hatte. Lederjacke: check! Lederweste: check! Grau-meliertes Shirt: check!  Ja, das ist der Minimalismus, der mir gefällt. So wenige Klamotten anhaben, dass ich nicht ins Schwitzen komme! Aber hier hört die Geschichte noch lange nicht auf. Schließlich hatte ich ja am Wochenende das „wohlverdiente“ Shopping hinter mich gebracht. Es war der Traum einer jeden Mode-Süchtigen: Schuhe, ein Oberteil und eine Hose. JACKPOT! Außerdem hatte ich allerlei Zeug von zu Hause mitbekommen, inkl. eines Auflaufs, einer Salami, einer alten Spiegelreflex-Kamera von meiner Oma sowie einer TV-Antenne. Ganz normal und gar nicht ungewöhnlich für eine serbische Familie. Daher kam es schließlich, dass ich doch voll beladen war. Aus zwei Taschen wurden dadurch nämlich vier. 

Ich redete mir ein, dass diese Hitze doch für 1,5 Stunden Fahrt auszuhalten sei. „Hey, schließlich habe ich eine Skinny-Jeans in Destroyed-Look und ein Tank-Top. Nicht der Wagen, sondern ich war heiß!'“ Ja, sich selbst was vormachen ist sehr dumm! (Diese Weisheit gefällt mir mal.) Kurze Zeit später traf schon ein wutentbrannter Schaffner ein, der uns sofort aufforderte, den Wagen zu räumen. Jedoch war da kein Anflug nachgelagerter Hilfsbereitschaft zu spüren. Ich wusste nur, dass ich jetzt doch mit 1.000 Sachen und vollgeschwitzt diesen so nervigen Weg durch den Zug nehmen musste. Wohin? Keine Ahnung! P1000995

Jedes Mal, wenn ich mit Gepäck und ohne reservierten Sitzplatz reiste, hatte ich das Gefühl, die Leute mit Reservierung verurteilten mich wie eine Dorfhure: „Oh, siehe da. Das arme Ding. Pssst. Nicht hinschauen!“ Dies geschieht natürlich nur in meinem Kopf, aber es treibt mich so zum Wahnsinn, dass ich ohne Rücksicht auf Verluste durch die Gänge jage. Die Taschen erschlugen auf dem Weg sicherlich ein oder zwei Personen, aber was soll’s, es war ja nicht meine Schuld, dass der Wagen 9 brannte. Doch dann, am Ende meiner Kräfte angekommen, zeichnete sich die Erlösung am Horizont ab: der Speisewagen. „Natürlich, warum kam ich nicht gleich darauf, hier kann ich bleiben, es gibt was zu trinken, ich brauche keine Reservierung. Es ist das Paradies.“ Nein, es konnte noch paradiesischer werden.

Ich erfuhr durch sehr nette Zugfahrende im Bistro, dass ich bei einer „geplatzten Reservierung“ Anrecht hatte auf einen Sitzplatz in der ersten Klasse. Engel flogen um mich herum, Vögel zwitscherten, die Sonne kam heraus und ein Regenbogen tat sich auf, um mir den Weg in die erste Klasse zu zeigen. Da saß ich dann, in einem komfortablen Sitz, mit einem Tisch und zwei Ablagen für meine vier Taschen und drei Oberteile. Und ich konnte nicht anders, als mir selbst einen so unglaublich weisen Spruch für beschwerliche Situationen mit Happy-End zu überlegen: „Wer mehr will, muss mehr zahlen!“ Eventuell reise ich demnächst in der 2. Klasse zu meinen Eltern und in der 1. Klasse wieder zurück nach Hamburg…

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